2054 - Die Zukunft (?)

von Ralf Kosse

Der Ortsverband Gronau des Technischen Hilfswerks (THW) feiert in diesem Jahr sein 70-jähriges Bestehen. In dieser Artikelserie wollen wir eine Zeitreise unternehmen, von den 50er Jahren bis ins Jetzt und darüber hinaus in die nahe Zukunft. Wie hat sich die Zivil- und Katastrophenschutzorganisation nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelt? Was ist alles passiert und wie sieht es in der „blauen“ Hilfsorganisation jetzt aus? Heute wollen wir einen (sehr spekulativen) Blick ins Jahr 2054 wagen.

Wir schreiben das Jahr 2054. Der THW-Ortsverband Gronau feiert sein einhundertjähriges Bestehen. Es ist Nacht in der Gronauer Bahnhofstraße, das THW wurde zur Unterstützung der Feuerwehr zum „neuen alten“ Gronauer Rathaus gerufen. Es gab einen Teilzusammensturz des Gebäudes durch einen heftigen Tornado, der über die Stadt hinwegfegte - ein mittlerweile fast jährliches Ereignis durch den extrem gewordenen Klimawandel.

THW-Gruppenführerin Emily sitzt im Führerhaus des selbstfahrenden Einsatz-LKWs. Der elektrische Motor summt leise, während der LKW selbstständig wie auf Schienen durch die sturmgepeitschten Straßen Gronaus rast. Auf dem Armaturenbrett leuchten die Anzeigen der autonomen Steuerung, während Emily sich auf die digitale Einsatzvorbereitung konzentriert. Neben ihr sitzen Justus und weitere THW-Helferinnen und -Helfer, die durch ihre Augmented-Reality-Brillen mit eingebauter Künstlicher Intelligenz (KI) ebenfalls einen ersten Überblick verschaffen. Der virtuelle Bauplan und Daten über die Zerstörungen flimmern vor ihnen scheinbar in der Luft. 

Fast da“, meldet die Stimme der KI aus den Lautsprechern des Fahrzeugs. „Drohnenaufklärung empfiehlt Erkundung des Südflügels.“ Emily stimmt zu und drei Minidrohnen machen sich auf den Weg zur Erkundung – noch aus dem fahrenden LKW.

Hoffentlich steht das Rathaus noch, wenn wir ankommen“, murmelt Justus nervös. „Die Schäden sehen glitchy aus.“

Emily fragt sich, wie ihre Mutter vor Jahrzehnten beim THW wohl in einer solchen Situation gehandelt hätte, als es diese ganze Technik noch nicht gab. Fast die halbe Familie der dreißigjährigen Frau war und ist in Blaulichtorganisationen. Ihr Großvater, ihre Tante und ihre Mutter sind seit Jahrzehnten beim THW, ihr Vater den größten Teil seines Lebens bei der Feuerwehr. In deren aktiver Zeit wurde noch mit vorsintflutlichen „Tablets“ gearbeitet. Die galten als Hightech, damals als Apple noch existierte. Doch jetzt, 2054, verlässt sich jeder im Katastrophenschutz auf die omnipräsente KI, Drohnen und humanoide Roboter. 

Der LKW hält direkt vor dem schwer beschädigten Rathaus. Ein Teil der Fassade ist eingestürzt, und überall liegen Trümmer. Der Neubau, eine moderne Rekonstruktion des Originals von 1898, wurde bereits in den 2020er Jahren geplant und erst vor fünf Jahren fertiggestellt. Nun steht er an diesem Abend erneut vor der Zerstörung.

Emily springt aus dem Fahrzeug und zieht ihre Datenbrille auf, während sie sich mit Augenbewegungen durch die Einsatzinformationen der KI wühlt. „Teile des Gebäudes drohen weiter einzustürzen. Wir müssen die restlichen Trümmer sichern und Überlebende suchen.“ murmelt sie vor sich hin.

Erkundung über den Haupteingang empfohlen. Einsatz Roboter Heros dringend angeraten“, schnarrt die THW-KI in ihr Ohr. „Jaaahaa, ich weiß doch!“, faucht Emily frustriert zurück, die Idee lag auf der Hand. In endlosen Planspielen und Übungen hat sich die Standard-Vorgehensweise des THW bei ihr eingebrannt.

Heros sollte gleich loslegen“, sagt sie zu Justus. Aber nichts passiert. Der humanoide Roboter, der für gefährliche Einsätze gedacht ist, bleibt regungslos vor dem Haupteingang stehen. „Wieso bewegt er sich nicht?“, flucht Emily und tippt auf ihr Headset. Ihre Brille flackert kurz, bevor das Display erlischt. „Was zum Trump…?“, Justus schaut auf sein eigenes ausgefallenes Gerät. „Wir haben keine Connection zu Heros.“ Emily reißt sich die Datenbrille vom Kopf. „Das kann doch nicht wahr sein!“

Die junge Frau fängt an zu schwitzen. Leise brummt etwas. Ihr Kamerad weiß sofort: Sie hat Stress! Die Klimaanlage ihres nagelneuen THW-Einsatzanzugs ist nämlich angesprungen, obwohl es im Wind ziemlich kühl ist. Versorgt wird die von einem erbsengroßen China-Akku, der über einen Tag die ganze Kleidung lang heizen und auch kühlen kann. Kein Vergleich zur passiven THW-Einsatzkleidung der 20er Jahre, die erst vor kurzem ausgemustert wurde.

Justus starrt auf seine Anzeigen und murmelt: „Schon wieder kein Netz? Die Staubwolke vom Rathaus?“ Emily schüttelt den Kopf. „Nein, das ist was Größeres. Seit die Starlink-Satelliten des ollen Elon Musk vor zwei Jahren explodiert sind, wird es immer schlimmer. Die Trümmer aus der Raketenexplosion haben nach und nach alle anderen Satelliten getroffen. Die Kommunikation ist jetzt weltweit gestört, und wir sind mitten in einem Funkloch.“ Sie blickt in die stürmische Nacht. „Jetzt hat es auch uns erwischt.“

Die KI ist offline, die Erkundungsdrohnen fallen wie Vögel vom Himmel, und Heros bleibt wie eingefroren vor dem zerstörten Gebäude. Die Katastrophenkommunikation, die fast vollständig über Satelliten lief, ist ausgefallen – und das mitten im Einsatz. 

Da drängt sich Althelfer Torsten, mit seinen 69 Jahren noch enorm rüstig, nach vorne. Der alte Haudegen trägt noch weitestgehend die „traditionelle“ THW-Ausrüstung. Keine AR-Brille, keine KI-Unterstützung – nur sein Wissen und seine Erfahrung. „Was ist los?“, fragt er ruhig.

Die KI und die Drohnen sind offline, Heros bewegt sich nicht, und wir haben keine Ahnung, wie wir ohne die Daten weiterkommen sollen!“, antwortet Emily frustriert. „Alles hängt von der Technik ab – und jetzt stehen wir hier.“ Torsten nickt: „Geht mal weg, Opa zeigt Euch, wie wir das früher gemacht haben!“.

Ja, früher“, murmelt Emily und schaut zu dem beschädigten Gebäude. „Aber das ist nicht früher, Torsten. Das ist jetzt, und wir haben keine Unterstützung.“

Torsten deutet auf die Trümmer. „Blöde Technik, vor ein paar Jahrzehnten haben wir das noch mit Köpfchen und Muskeln gemacht – und das geht heute immer noch! Ihr vergesst das bloß ständig…“ Bestimmt fährt er fort: „Da, der alte Nebeneingang – da gehen wir rein. Wir sichern die Trümmer manuell ab und suchen nach Überlebenden. Ohne Roboter, das machen wir selbst!“

Er greift zu einem hydraulischen Spreizer, Klappspaten und einigen Seilen, während er ein paar Helferinnen einweist. Mit Muskelkraft und Verstand – ganz wie früher – bahnen sie sich den Weg durch die Trümmer des zerstörten Rathauses. 

Nach einigen Minuten, die sich wie eine Ewigkeit anfühlen, kommen sie mit den ersten Überlebenden ins Freie. Emily fällt ein Stein vom Herzen, Torsten grinst: „Technik ist gut – aber wenn sie versagt, müssen wir uns auf das besinnen, was wir immer hatten: unseren Verstand und unsere Hände. Am Ende sind es immer noch die Menschen, die den Unterschied machen!“

Hinweis: Einzelne Teile dieses Artikels wurden mit einer KI (Chat GPT) erstellt. Am Ende hatte aber doch noch der Mensch die Ideen und auch die Kontrolle behalten…

Zukunftsvision – die heutige Forschung dahinter

Die obige Geschichte ist natürlich völlig fiktiv und wird in der Zukunft sicher so nicht stattfinden. Aber einige der erwähnten Technologien existieren bereits heute: Selbstfahrende Autos werden immer besser, Mercedes hat vor kurzem mit dem eActros 600​ einen alltagstauglichen rein elektrisch fahrenden LKW vorgestellt, der über 500 km mit einer Ladung weit kommt und zudem schnellladefähig ist.

Drohnen begegnen uns im Alltag bereits seit Jahren und nun auch immer öfter. Sie sind auch im THW flächendeckend im Einsatz, wie zum Beispiel im Ortsverband Ahaus. Und dass Künstliche Intelligenz unsere Welt in den nächsten Jahren so revolutionieren wird wie das Internet oder die Dampfmaschine, steht auch wohl außer Frage. Das THW betätigt sich vermehrt in der Forschung für Katastrophenschutz und neue Technologien. An der THW-Bundesschule Hoya gibt es erste Lehrgänge, welche Planspiele und Ausbildungen in virtueller Realität durchführen. Sogar die Motorsägenausbildung wird teilweise virtuell mit einer 3D-Brille durchgeführt. 

Die Gronauer THWler haben seit einem Jahr im „Trupp Einsatzstellensicherungssystem“ mit einem Tachymeter ein Lasermessgerät, welches kleinste Veränderungen an einsturzgefährdeten Gebäuden detektieren und sofort alarmieren kann. Zudem kann es dreidimensionale Pläne von Gebäuden und Geländen erstellen.

Mit dem Virtual Operations Support Team (VOST) hat das THW schon länger eine Spezialeinheit, die im Einsatzfall relevante Informationen aus dem Internet sammelt, prüft und analysiert. In Sozialen Medien kann die Einheit Falschnachrichten aufspüren und wichtige Informationen für den Einsatz erkennen. Das alles hilft der Einsatzleitung, noch fundiertere Entscheidungen zu treffen. Das Team arbeitet online zusammen, seine Mitglieder sind über ganz Deutschland verteilt und sofort einsatzbereit.

Besonders im Bereich von Drohnen gibt es gleich mehrere Forschungsprojekte, an denen das THW mitwirkt. Das System „Romatris“ ist ein fahrbarer Roboter, der eine Zuladung von bis zu 120 Kilogramm sicher durch schwieriges Gelände, über Schotter, Hindernisse und Steigungen transportiert. Er fährt per KI den THWlern autonom hinterher, transportiert dabei Verletzte und kann auch Sandsäcke auf den Deich bringen.

Die Unterwasserdrohne „DeeperSense“ liefert klare Bilder trotz trübem Wasser. Sie setzt auf KI, um die Stärken von Kameras und Sonargeräten miteinander zu kombinieren. Dafür wurde ein Algorithmus entwickelt, der Sonardaten in Bilder umwandelt. Das Ergebnis: kameraähnliche Bilder mit hoher Auflösung. Taucher können so auch in trübem Wasser glasklare Aufnahmen erhalten und ihre Arbeit deutlich erleichtern.

Die Zukunft der THW-Unterkunft

Die aktuelle THW-Unterkunft an der Vereinsstraße 135 ist seit fast 40 Jahren das Zuhause der Gronauer Einsatzorganisation. Doch der vorhandene Platz reicht schon länger nicht mehr aus. Das Rangieren der immer größer werdenden LKW auf dem kleinen Hof ist umständlich und nur etwas für „echte Könner“. Die Umkleiden platzen aus allen Nähten, es fehlt an modernen Büros und Lagerräumen. Etliche der Fahrzeuge stehen unter freiem Himmel, weil kein Platz für weitere Garagen ist.

Aber Besserung ist in Sicht: in der Bauernschaft Kloster in Gronau Epe soll eine neue Liegenschaft in Modulbauweise entstehen. Nahe der B54 und fast mittig zwischen Gronau und Epe wird es ausreichend Platz für Helferinnen und Helfer, Material, Fahrzeuge und Verwaltung geben. Die Fläche der neuen Liegenschaft wird etwa dreimal so groß wie die der alten sein und so genügend Platz für die Zukunft bieten.

Die Bauweise ist vom THW standardisiert, die ersten 30 Unterkünfte sind bereits im Entstehen. Die Ortsverbände erhalten einheitliche Gebäude und Fahrzeughallen, welche den Klimaschutzvorgaben entsprechen, barrierefrei sind und über moderne Technik verfügen. Dazu gehören inselfähige Photovoltaikanlagen, die eigenen Strom im Falle eines Blackouts ermöglichen, sowie nachhaltige Wärmepumpen. Sobald die nächste Finanzierungs-Tranche freigegeben wird, dürften auch die Gronauer zum Zuge kommen und die Bauarbeiten zügig beginnen.