Die 2020er Jahre

von Ralf Kosse

In dieser Artikelserie wollen wir eine Zeitreise unternehmen, von den 50er Jahren bis ins Jetzt und darüber hinaus in die nahe Zukunft. Wie hat sich die Zivil- und Katastrophenschutzorganisation nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelt? Was ist alles passiert und wie sieht es in der „blauen“ Hilfsorganisation jetzt aus?

Im letzten Teil des Rückblicks auf 70 Jahre Technisches Hilfswerk Gronau fehlen nur noch die 2020er Jahre, die düster anfingen: Die Corona-Pandemie erfasste die ganze Welt. Aus Vorsicht wurde fast alles heruntergefahren. Persönliche Kontakte aller Art waren tabu, Firmen verlagerten massiv ins Home-Office, Millionen Schüler sahen ihre Mitschüler und Lehrer wochenlang bestenfalls am Computerbildschirm.

Beim THW Gronau war das nicht anders: Der reguläre Dienstbetrieb für Ausbildungen und Übungen wurde zunächst eingestellt. Lediglich Einsätze und notwendige Instandhaltungsmaßnahmen fanden statt. Nach dem ersten Schock fanden die Gronauer schnell einen Ausweg: als einer der ersten THW-Ortsverbände veranstalteten sie „Online-Dienstabende“. Nur zwei bis drei Helferinnen mit Mundschutz zeigten den Umgang mit Rettungsgerät in der Unterkunft, per Videokonferenz wurde das in die heimischen Wohnzimmer der restlichen Mitglieder übertragen.

Bis zu den Coronaimpfungen gab es eine strikte Trennung: Es wurden zwei Gruppen gebildet, welche einander nicht begegnen durften. Jede Woche wurde abgewechselt, die eine Gruppe übernahm Einsätze und Dienstabende, die andere blieb Zuhause. So wurde sichergestellt, dass sich nicht der gesamte Ortsverband bei einer gemeinsamen Aktion infizierte und nicht mehr einsatzbereit wäre. Hinzu kamen Schnelltests für alle Helferinnen und Helfern vor jedem Dienst und jedem Einsatz. Das Konzept bewährte sich, es gab keine größeren Ausfälle. Selbst der THW-Nikolaus, der einmal im Jahr die Kinder der Gronauer THW-Angehörigen besuchte, kam auf der Ladefläche eines THW-LKW nach Hause und blieb auf Abstand.

Auch 2021 brachte Corona das Alltagsleben immer wieder noch durcheinander. Währenddessen kam es im Sommer zu einem heftigen Unwetter mit Überschwemmungen durch Tief „Bernd“, vor allem im Ahrtal. Das THW Gronau war mit wechselnden Gruppen und Aufgaben mehrere Monate immer wieder dort im Einsatz (siehe Nebenartikel).

Mit dem Abflauen der Pandemie ab 2022 ging das THW-Leben wieder seinen gewohnten Lauf, etliche Medien-Aktivitäten fanden nun gehäuft statt: Gronauer Helferinnen und Helfer wurden die Gesichter und Fotomodels der deutschlandweiten THW-Imagekampagne, die auf Plakatwänden und im Internet weite Verbreitung fand. Auch im Kinospot der Kampagne des THW waren die Gronauer zu sehen. Im neu geschaffenen THW-Podcast hatten drei von ihnenab 2023 sogar ihre eigene Folge, weitere Stimmen aus dem Ortsverband sprachen in zusätzlichen Teilen Erklärungen ein.

Die letzten größeren Einsätze des THW Gronau waren die Hochwasserereignisse im Ruhrgebiet, Münsterland und Emsland Ende 2023. Um und auch noch an Heiligabend wurden Sandsäcke gefüllt und verlegt, in Oberhausen, Hamm, Meppen und weiteren Orten. Mitte September 2024 waren die Gronauer noch beim Leichenfund am Postbrückenweg zur technischen Unterstützung der Polizei im Einsatz.

Ahrtal-Einsatz

Im Grenzbereich von Belgien und der westlichen Mitte Deutschlands fielen durch Tief „Bernd“ um den 14. Juli 2021 heftige Niederschläge auf einen eh schon durchweichten Boden, in einigen Gebieten bis zu 150 Liter pro Quadratmeter. In Deutschland starben über 180 Menschen, 200.000 waren zeitweise ohne Stromversorgung. Zahllose Gebäude, Brücken, Straßen und Versorgungseinrichtungen wurden von den reißenden Fluten zerstört. 

Brennpunkt der Katastrophe war vor allem das Ahrtal, in das am 15.07.2021 eine erste Gruppe aus dem THW-Ortsverband Gronau einsatzmäßig unterwegs war. Parallel fuhr die Feuerwehr Gronau ebenfalls in den Katastropheneinsatz. Die THWler halfen im Großraum Weilerswist zunächst bei Evakuierungsmaßnahmen. Den erfahrenen Helferinnen und Helfern bot sich eine nie dagewesene Schadenslage in Form von massiven Überschwemmungen und Verwüstungen, auch die Bergung einer Wasserleiche gehörte zu den Aufgaben der Ehrenamtler. Der Parkplatz der Einsatzfahrzeuge auf einer Anhöhe wurde zeitweise von Wasser umschlossen, Kommunikation und auch das Tanken gestaltete sich im stromlosen Hochwassergebiet als große Herausforderung.

Die nächsten Tage waren immer wieder Gruppen vom THW Gronau im Ahrtal zum Pumpen, Räumen von Straßen, zur Fahrzeugbergung und Notstromerzeugung. In Brühl wurde zum Schlafen, Waschen und Ausruhen ein „Bereitstellungsraum“ - eine Zeltstadt auf der sprichwörtlichen grünen Wiese - für die Einsatzkräfte errichtet. Während der folgenden Wochen verlagerte sich der Einsatz von akuter Rettung zu Räumung und Wiederaufbau. Dafür wurden kleinere Mannschaften benötigt, jedoch mit mehr Spezialfähigkeiten. Dazu gehörte die Führung des Bereitstellungsraums mit über 2000 Helfenden von THW und anderen Organisationen, und die Verpflegung derselben mit frischem Essen. Weitere Kräfte aus Gronau reparierten Elektroleitungen und erzeugten Notstrom, kümmerten sich um Presse- und Medienarbeit im THW oder berieten in Sachen Arbeitssicherheit.

Der Starkregeneinsatz nach Tief Bernd war der größte in der Geschichte des Technischen Hilfswerks. 17.000 Einsatzkräfte aus allen Ortsverbänden des Landes waren insgesamt über 2,7 Millionen Einsatzstunden tätig, bis zu 4000 pro Tag. 34 Behelfsbrücken wurden gebaut, unzählige Keller leer gepumpt, sowie die Versorgung mit Trinkwasser und Strom sichergestellt.

Wege zum THW

Wie kommt man nun zum THW? Und wer kann da überhaupt mitmachen? Die kurze Antwort: Jede und jeder! Im Gronauer THW sind alle Helferinnen und Helfer rein ehrenamtlich tätig, gehen also zum Beispiel einer Arbeit nach, sind Schüler oder Rentner. Ab zwölf Jahren können Mädchen und Jungen in der Jugendgruppe mitmachen und neben Spiel und Spaß im Team auch die Rettung von Menschen und den Umgang mit technischem Gerät erlernen. Im „Technischen Zug“, der Einsatzkomponente des THW, kann man ab 18 Jahren mitmachen. Dafür durchlaufen Neumitglieder zunächst die Grundausbildung, bevor sie in Einsätzen mitwirken können. Danach steht ein reichhaltiges Angebot von Lehrgängen und Weiterbildungen bereit, vom Schweißen und Brückenbau über Führungslehrgänge, Führerscheine für LKW, Boote und Bagger sowie Spezialthemen. 

Ein Höchstalter gibt es im THW nicht, in Gronau sind von zwölf bis über 85 Jahren alle Altersgruppen vertreten und aktiv. Neben der Tätigkeit in kleineren und größeren Einsätzen gibt es für jeden Typ viele Aufgaben auch hinter den Kulissen. Verwaltung und Instandhaltung, Fahrzeugpflege und Geräteprüfung, Organisation, Kochen, Öffentlichkeitsarbeit oder Ausbildung sind Themengebiete, die abgedeckt werden. Vorerfahrungen sind für die Arbeit im THW nicht nötig, alles notwendige Wissen wird bei Diensten und Lehrgängen vermittelt. Die THWler profitieren bei ihren Aufgaben sehr von den Berufen der Mitglieder, so gibt es in Gronau Tischlerinnen und Ärzte, Ingenieure und Verkäufer, Finanzfachwirtinnen und Erzieher, Schülerinnen und Rentner. Jede und jeder bringt andere Erfahrungen und Kenntnisse mit. Die erfahrensten Helfer des Gronauer Ortsverbandes sind dabei bereits über 60 Jahre durchgängig aktiv. 

Wer sich für das Ehrenamt im THW interessiert, kann unverbindlich einen Dienstabend besuchen und in die Arbeit der Helferinnen und Helfer herein schnuppern. Infos gibt es unter www.thw-gronau.de.