Die 2010er Jahre
Wetterextreme hervorzurufen ist ein Trend des Klimawandels, der bereits in den 2010er Jahren deutlich sichtbar war. Nach den großen Jahrhundert- und Jahrtausendhochwassern an Oder (1997) und Elbe (2002 und 2003) war das THW Gronau 2010 in Gronau und Umgebung im Hochwassereinsatz, 2013 wieder an der Elbe und 2016 in Rhede.
In Ahaus versank im Sommer 2010 ein Einsatzfahrzeug des THW in den Fluten (siehe Nebenartikel), einige Stunden danach stieg der Dinkelpegel in Gronau rasant. Die nächsten beiden Tage wurden durch über 40 Gronauer THWler, die beiden Feuerwehren und durch DLRG-Kräfte aus halb NRW Sandsäcke gepackt, vor allem im Bereich um die Gronauer Bahnhofstraße. Aber auch in der überfluteten Innenstadt von Epe, am St. Antonius Hospital und sogar in Alstätte. Mit Booten der DLRG setzten THW-Kräfte mitten auf dem LAGA-Gelände über die Dinkel, um dort Sandsäcke zu packen.
Zwei Jahre später wurde der riesige Gronauer Zivilschutzbunker unter dem Kurt-Schumacher-Platz endgültig aufgegeben und rückgebaut, somit waren die dortigen beiden Notstromaggregate nicht mehr notwendig. Elektroexperten des THW Gronau bauten beide dort aus und richteten sie für einen Anhängerbetrieb wieder her. Eines der beiden Stromerzeuger mit einer Nennleistung von knapp 140 Kilowatt tut heute noch seinen Dienst beim THW.
2013 stieg der Pegel der Elbe erneut bedrohlich, vom THW Gronau wurde im Juni ein Trupp mit sieben Helfern nach Magdeburg angefordert. Mit hunderten weiteren Helferinnen und Helfern wurden sie im dortigen Bördepark untergebracht – in Großzelten auf einem Parkplatz. Die Aufgaben waren in den fünf Tagen wieder einmal Deichverteidigung mittels Sandsäcken. So wurde zum Beispiel innerhalb eines Tages ein gut ein Meter hoher und fast dreieinhalb Kilometer langer Wall um das komplette Müllheizkraftwerk Magdeburg direkt an der Elbe gebaut.
Im Amtsvenn in Epe kam es am 1. Mai 2014 durch einen Defekt zu einem Austritt von Öl aus einer unterirdischen Kaverne, ein Teil der nationalen Reserve. Das THW Gronau sorgte noch am Abend für eine großflächige Ausleuchtung des Areals um die Kaverne „S5“. Mit Atemschutz und Chemieschutzanzügen gegen die Öldämpfe war die Arbeit zwar sehr schweißtreibend, aber am Ende auch erfolgreich. Noch in der Nacht wurde von Spezialfirmen sowohl die Schadensstelle untersucht als auch begonnen, das kontaminierte Erdreich abzutragen.
Bei der Flüchtlingskrise des Jahres 2015 waren die Gronauer Ehrenamtler auch im Einsatz. Zwei Sporthallen wurden zusammen mit der Feuerwehr jeweils innerhalb eines Tages zu einer Großunterkunft hergerichtet. Holz- und Teppichbeläge wurden zum Schutz des Hallenbodens eingebaut, die Schlafnischen mit Raumabtrennungen, Beleuchtung und Betten ausgestattet. Stadtbaurat Frank Vetter war laut WN damals des Lobes voll: „Was innerhalb so kurzer Zeit erreicht werden kann…“ sagte er – und da schwang unterschwellig auch ein wenig Stolz mit. Das sprichwörtliche „Wir schaffen das“ war doch nicht nur eine Phrase.
Im folgenden Jahr gab es wieder ein Hochwasser, diesmal in Rhede. Die Bocholter Aa drohte dort, ein Wohngebiet zu überschwemmen. Die Gronauer waren nun am Anfang der Deichverteidigungskette eingesetzt: beim Füllen von Sandsäcken. Aufgrund des regnerischen Wetters geriet das zu einer wahren Schlammschlacht.
2017 waren Gronauer THW-Mitglieder bei der Tour de France eingesetzt, allerdings in Deutschland. Ein Abschnitt der Tour führte durch Mönchengladbach, wo die Gronauer einerseits die Strecke absperrten, aber auch Fachberater in die Einsatzleitung schickten, um bei größeren Schadenslagen direkt beraten und helfen zu können. Im selben Jahr hieß es „Hertie qualmt“. Jedoch handelte es sich nur um eine große Übung von Feuerwehr und THW im leerstehenden Kaufhausgebäude kurz vor dessen endgültigen Abriss. Zehn Verletztendarsteller und Dummys waren im Gebäude versteckt, Nebelmaschinen sorgten für schlechte Sicht. Am Ende waren alle „gerettet“ und das Kaufhaus endgültig dem Untergang geweiht.
Im nächsten Jahr dann fand eine sehr außerordentliche Fahrzeugeinweihung in der Unterkunft an der Vereinsstraße statt. Die Gronauer Katastrophenschützer haben es über Jahrzehnte zur Tradition werden lassen, ihre neuen Einsatzfahrzeuge von Pastoren einsegnen zu lassen und dies zu feiern. Der neue Einsatz-LKW mit dem sperrigen Namen „Mannschaftslastwagen IV“ und das nagelneue Notstromaggregat mit 200kVA Leistung, Spitzname „Gertrud“, wurden dieses Mal jedoch von einem ehemaligen Helfer des THW Gronau gesegnet.
Pater Florian Maria Lim, erst wenige Monate zuvor in Waldkirch zum Priester geweiht, war von 2001 bis 2005 im Gronauer THW ehrenamtlich aktiv und auch im Elbehochwasser 2002 eingesetzt. Ihm war es eine besondere Ehre, aus der Nähe von Freiburg seinen alten Ortsverband zu besuchen und die neuen Fahrzeuge ihrer Bestimmung zu übergeben. Der „Mannschaftslastwagen IV“ begründete damit den Anfang der neuen „Fachgruppe Notversorgung und Notinstandsetzung“, die nun die bisherige „Bergungsgruppe 2“ ablöste. Die neue Einheit stellt mit Strom, Licht, Zelten, Booten und Transport-LKW sicher, dass andere THW-Einheiten über einen längeren Zeitraum autark arbeiten können.
Die schon jahrelangen guten Verbindungen zwischen THW und Feuerwehr aus Gronau verfestigten sich in den 2010er Jahren noch weiter: Die Feuerwehr nahm 2015 ein gemischtes Team aus THW und eigenen Kräften mit auf die Feuerwehr-internen Leistungsnachweise im Kreis Borken. Einmal im Jahr treffen sich alle Wehren des Kreises und absolvieren einen Parcours. Beim ersten Mal sorgte das noch für Staunen bei den auswärtigen Brandschützern, nun ist es bereits Tradition. Die gemischte Mannschaft ist bis 2024 bereits sieben Mal erfolgreich angetreten und hat den THWlern so wichtige Einblicke in die Denk- und Arbeitsweise ihrer Einsatzkollegen gegeben. Diese jahrelange Tradition ist deutschlandweit einzigartig.
Aber auch außerhalb der Wettkämpfe ist das Verhältnis eng: Freundschaften, Beziehungen und Ehen zwischen Feuerwehr- und THW-Mitgliedern gibt es mehrere, gemeinsame Kinder auch. Übungen und Einsätze werden immer wieder zusammen veranstaltet, das THW rückt bei bestimmten Einsatzstichworten der Wehr automatisch mit aus. Auch bei Einsatzgeräten sprechen sich die Organisationen teilweise ab: Das THW hat eine 5000 Liter fassende Wasserblase beschafft, um für die Feuerwehr Löschwasser transportieren zu können. Und ein Aluminium-Boot wird gemeinsam betrieben, es ist sowohl blau als auch rot foliert und beschriftet, zwei sich reichenden Hände in beiden Farben zeugen von der engen Verbindung.
Fahrzeug-Verlust im Hochwasser 2010
Ende August 2010 fielen alleine in Ahaus über 100 Liter Regen pro Quadratmeter, das THW Gronau wurde in den frühen Morgenstunden zum neuen Ahauser Klärwerk am Nordring gerufen, um das überflutete Gelände frei zu pumpen. Zwei Fahrzeuge, ein VW Bulli Typ T4 und der „Gerätekraftwagen“, ein Einsatz-LKW, fuhren zur Einsatzstelle. Im vorausfahrenden T4 saß ein ortskundiger Lotse auf dem Beifahrersitz, die Zufahrtsstraße war mit Wasser bedeckt.
Die nichts ahnende Fahrzeugbesatzung fuhr auf das Werkstor zu, immer tiefer ins Wasser. Der Lotse versicherte freie Fahrt – bis der Bulli plötzlich aufschwamm und ein Lenken unmöglich wurde. Vom nahegelegenen Acker strömte, in der Dunkelheit nicht erkennbar, Wasser gegen das Fahrzeug und drückte es in den Seitengraben. Ein kleiner Ruck, Ende der Fahrt! Der Bulli begann mit dem schweren Motor voran zu sinken, die Insassen versuchten die Türen zu öffnen – vergebens, denn der Wasserdruck von außen war viel zu stark!
Nur die Fenster blieben als Fluchtweg, Wasser drang in den Innenraum. Der Lotse wagte als erster den Sprung nach draußen – und tauchte überraschend komplett unter. Mit Schwimmbewegungen konnte er auf höheres Gelände ohne Wasser erreichen. Der Rest der Mannschaft flüchtete sich mit dem Wissen um die Wassertiefe auf das Fahrzeugdach und musste miterleben, wie die Front des VW im Graben versank. Halt fanden die Helfer dabei am Blaulichtbalken. Am Ende war die Windschutzscheibe komplett unter Wasser, das Heck lugte noch hinaus. Das Martinshorn wurde schließlich nass, die Elektronik versagte und produzierte einen Totengesang, der an brunftende Wale erinnerte. Glimmende Blinker unter Wasser erzeugten zusätzlich einen schauerlichen Anblick im Dunkeln.
Die Mannschaft THW-LKW dahinter konnten nur zusehen, wie ihre Kameraden auf dem Dach ausharrten. Passiert ist am Ende niemandem etwas, aber der Schreck saß tief. Das Fahrzeug konnte im Nachhinein von den THWlern nach einer vollständigen Demontage des Motors wieder in Gang gebracht und verkauft werden. Im folgenden Jahr wurde ein VW T5 als Ersatz beschafft, der heute noch beim THW fährt.