Ein halbes Megawatt Notstrom

Große Übung von Elektro-Fachgruppen beim THW Gronau

"Der Cosinus Phi springt schon wieder!" - "Dann gib noch mal 30 Kilowatt mehr!" - "Schalt mal den Schütz ein!". Merkwürdige Kommandos hallen am Samstagmorgen über den alten Gronauer Kirmesplatz. Viele Messgeräte und Schalter erinnern an die Brücke des Raumschiffs Enterprise. Es blinken Lämpchen, Zeiger von Messinstrumenten schlagen abrupt aus, Sirenen ertönen. Es handelt sich jedoch um Notstromaggregate des technischen Hilfswerks (THW). Der THW Ortsverband Gronau hatte am vergangenen Wochenende die "Fachgruppen Elektroversorgung" der Ortsverbände Oberhausen und Düsseldorf zu einem gemeinsamen Übungswochenende eingeladen.

In der Katastrophenschutzorganisation hat jeder Ortsverband neben den zwei "Bergungsgruppen", die sich um die Suche und Bergung von Personen und Gütern, um technische Hilfe und vieles mehr kümmern, zudem jeweils eine Fachgruppe. Diese ist etwa aus dem Bereich Brückenbau, Trinkwasserversorgung, Beleuchtung oder anderem. Im THW Gronau gibt es die Fachgruppe Elektroversorgung - sie kann große Mengen Notstrom erzeugen, ist mit vielen Kabeln, Verteilern, Messgeräten und vor allem Fachleuten wie Elektrikern und Ingenieuren ausgestattet. Alle sind ehrenamtlich im THW, um nach Unwettern, Katastrophen oder auch Stromausfällen zu helfen.

Am Freitagabend reisten die Kameraden aus Oberhausen und Düsseldorf an und richteten sich in der Gronauer THW-Unterkunft an der Vereinsstraße ein. Insgesamt nahmen 22 Helferinnen und Helfer der Elektro-Fachgruppen an der Veranstaltung teil. Am Samstagmorgen ging es früh auf den nahe gelegenen alten Kirmesplatz, auf dem genug Platz war für LKW und Notstromerzeuger, für Pavillons gegen die Regenschauer und für hunderte Meter Kabel, einige bis fünf Zentimeter dick.

Gruppenführer Michael Dierselhuis ist der Chef der Gronauer Elektro-Fachleute und hatte die Idee des gemeinsamen Elektro-Übungswochenendes mit Partner-Ortsverbänden. Er plante das Wochenende und baute als Überraschung auch eine gespielte Alarmierung ein: pünktlich während des Mittagessens um 12:30 piepten alle Funkmelder los: "Einsatz" am Pumpwerk der Stadtwerke auf dem ehemaligen LAGA-Gelände. Bis es dazu kam, wurde Vormittags jedoch zunächst der "Synchronbetrieb" von den drei "Netzersatzanlagen" genannten Stromerzeugern geübt. Notwendig wird dieser Synchronbetrieb immer dann, wenn Stromverbraucher betrieben werden sollen, die mehr Strom verbrauchen als ein Aggregat alleine erzeugen kann. Alle drei Stromerzeuger wurden elektrisch verbunden, die hochmoderne Steuerung sorgte für eine Anpassung der Parameter wie Frequenz, Spannung und Phasenlage.

Im Team bilden die Aggregate dann ihr eigenes kleines Insel-Stromnetz. Genauso wie das europäische Verbundsystem, von dem unsere Haushalte ihren Strom bekommen - allerdings in winzig klein. Wobei: was heißt hier winzig? Die drei Stromerzeuger können zusammen ein halbes Megawatt an Energie erzeugen, genug für über 400 durchschnittliche Haushalte.

Am Mittag machte dann der Einsatzalarm den essenden Helfern Beine. In 20 Minuten waren Pavillons, Kabel und Gerätschaften verlastet, mit Blaulicht ging es zum Regenrückhaltebecken auf dem LAGA-Gelände an der Dinkel. Vor Ort betreiben die Stadtwerke Gronau eine Pumpstation, die Regen- und Abwasser aus Nordost-Gronau über etliche Meter auf das Niveau des Abwasserwerkes hebt. Riesige Schneckenpumpen drehen sich und schaffen alle zusammen unglaubliche 16 Kubikmeter - in jeder einzelnen Sekunde! Pro Stunde könnte man 6 Hektar Land einen Meter hoch mit Wasser vollpumpen. Benötigt wird dies nicht nur für das normale Abwasser der Stadt, sondern hauptsächlich nach extremen Regenfällen. Ohne die Pumpen würde sonst die Innenstadt von Gronau voll Wasser laufen können. An normalen Tagen laufen jedoch nur ein Bruchteil der Pumpen, so auch am Samstag.

Das Übungsszenario, erarbeitet von Gruppenführer Dierselhuis und den Stadtwerken, gab einen Stromausfall vor. Das THW wurde gerufen, um mit den drei Netzersatzanlagen die Pumpstation zu versorgen. Das Gelernte des Vormittags konnte gleich in der Praxis probiert werden: zusammen versorgten die Aggregate zunächst zwei kleine Schneckenpumpen, danach eine der Größten. Alleine diese hat eine Stromaufnahme von 160.000 Watt - allerdings nicht am Samstag, da dort nur sehr wenig Wasser zu bewegen war. Trotzdem bemerkten die Maschinisten vom THW gleich, dass die Pumpen beim Einschalten zum Anlaufen enorm hohe Einschaltströme brauchten - ein kräftiges Brummen im Aggregat, hektisches Ausschlagen der Messgeräte - doch dann lief alles.

Glücklicherweise für Gronau wird dieses Einsatz-Szenario wohl nie eintreten: die Stadtwerke haben für genau diesen Zweck ein eigenes Aggregat - mit 500 Kilovoltampere genauso groß wie die drei THW-Maschinen zusammen, und damit genug für den Ernstfall. Vorbereitung ist schließlich alles. Am späten Nachmittag wurde die Übung erfolgreich beendet, die THW-Kräfte hatten ihr Können in einem realistischen Szenario auf die Probe gestellt. Das motiviert natürlich mehr als das Üben "auf der grünen Wiese".

Der Sonntagmorgen fand wieder bei den Stadtwerken statt: die THWler konnten das Umspannwerk und die Netzleitwarte der Stadtwerke an der Laubstiege in Gronau besichtigen. Über die armdicken Kabel mit 110.000 Volt staunten die Fachleute vom THW genauso wie über die moderne Überwachung der Gronauer Netze - jeder Verteilerstation und jeder Gasschieber kann Computer überwacht werden.

Gegen Mittag klang das Wochenende aus, der Gronauer THW-Ortsbeauftragte Lutz Schabbing dankte den Beteiligten und besonders den Mitarbeitern der Stadtwerke für ihre spontane Zusage und die vielfache Unterstützung beim Üben und Besichtigen. Gruppenführer Dierselhuis sprach von einem "lehrreichen und nassen" Wochenende mit "vielen überraschenden Erkenntnissen", Stadtwerke-Geschäftsführer Dr.-Ing. Wilhelm Drepper betonte "dass der persönliche Draht zwischen Stadtwerken und THW auch in der Praxis sehr gut funktioniert". Der große Stromausfall in Alsdorf der letzten Wochen zeige, wie schnell Unglücke mit Stromausfall passieren könnten. "Die Netzwerke im Katastrophenfall zu THW und anderen Organisationen arbeiten gut, wie man gesehen hat".


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